Mit Dreiecksverkehren holen wir Güter von der Straße auf die Schiene

Friedrich Macher, CEO Grampetcargo Austria und ehemals Rail Cargo Austria-Vorstand über Visionen für den europäischen Schienengüterverkehr

Von Wilfried Schneider

Bis November 2010 war Friedrich Macher Vorstandsvorsitzender bei Rail Cargo Austria (RCA). Davor bekleidete er die Position des Generaldirektors bei Kühne+ Nagel Österreich und Südeuropa mit Sitz in Wien. Im April 2012 gründete er Grampetcargo Austria, deren CEO er ist. Zudem ist Macher Gründungs- und Ehrenpräsident der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL).

DVZ: Herr Macher, hat die Güterbahn in Europa eine Zukunft?

Friedrich Macher: Die Schiene hat natürlich Zukunft. Sie ist eine Überlebensnotwendigkeit für den Wirtschaftsstandort Europa und seine Anschlussfähigkeit an globalisierte Märkte. Schon aus volkswirtschaftlichen und ökologischen Gründen – weil sonst das Gesamtsystem kollabiert.

Sie kommen ja aus der Spedition – fühlen Sie sich nun nicht ein bisschen als „Saulus“?

Ich habe immer die Linie vertreten, dass die Logistik alle Verkehrsträger braucht. Sowohl in meiner Zeit bei der Spedition als auch als Gründungspräsident und jahrzehntelanger Leiter der Bundesvereinigung Logistik Österreich.

Wie lässt sich dies vereinen?

Entgegen der früher geübten Praxis bin ich heute der Überzeugung, dass Binnenschifffahrt und Bahn logische Partner sind, ebenso wie der LKW und der Intermodalverkehr. Aber es gibt Geschäfte, wo der LKW unverzichtbar ist. Nicht nur auf der letzten Meile, sondern entlang der gesamten Supply Chain. Ansonsten aber ist die Kooperation aller Verkehrsträger ein Muss.

Wird die Bahn – etwa durch Stilllegung von Verladeknoten und Anschlussbahnen – nicht immer unflexibler, während der LKW immer gleich durch ganz Europa fährt?

Ein System muss atmen können. Das heißt, es muss sich einerseits den Bedürfnissen der Verlader anpassen, andererseits muss es auch wirtschaftlich sein. Auch zu meiner Zeit als Vorstand der Rail Cargo Austria haben wir die Anzahl der Anlieferstellen intensiv beobachtet und dem Bedarf angepasst. Heute steht dort jedoch der politische Wille mehr im Vordergrund als der Sachverstand. Man will der Öffentlichkeit um jeden Preis zeigen, dass man wirtschaftlich handelt – also nach außen hin profitabel wirken. Ob man dabei immer das richtige Maß gefunden hat, würde ich nicht mit absoluter Sicherheit bejahen. Abgesehen davon gibt es in den vergangenen Monaten einen signifikanten Mengenrückgang.

Wie unterscheidet sich Grampetcargo von anderen Schienenlogistik-Anbietern?

Grampetcargo bewegt sich in der Entwicklungsphase hauptsächlich zwischen Zentraleuropa und dem Schwarzen Meer. Die Anbieter berechnen dem Auftraggeber bisher die kompletten Kosten, die nach dem Modell „Voll hin – leer zurück“ kalkuliert werden. Der Kunde zahlt also den gesamten Rundlauf, obwohl er nur eine Strecke fährt.

Die Kosten zurAufrechterhaltung des Dreiecks per Schiene und damit der Preis sind sehr wohl konkurrenzfähig gegenüber dem LKW.

Und Sie haben das geändert?

Ja, uns geht es darum, balancierte Dreiecksverkehre aufzubauen. Damit holen wir Güter von der Straße auf die Schiene. Das ist zwar mühselig und schwierig, da neben Marktkenntnissen geeignete Partner vorhanden sein müssen. Die Kosten zur Aufrechterhaltung des Dreiecks und damit der Preis sind sehr wohl konkurrenzfähig gegenüber dem LKW. Was wir in der Region Zentraleuropa-Schwarzmeerraum zurückholen, kommt primär von der Straße.

Wie genau sieht die Kalkulation für Dreiecksverkehre aus?

Darin enthalten sind die Kosten der Vollladung in eine Richtung, für die kurzfristige Überstellung von Leerwaggons zu einer anderen Ladestelle sowie für die Rückfahrt. Mit diesen Einnahmen aus beiden Richtungen rechnet es sich für uns und die Kunden.

Aber sollte das nicht eigentlich das übliche Geschäft der Bahnen sein?

Ja, das ist richtig, nur weicht die bisher geübte Praxis von diesem Sollzustand ab.

Ist der LKW nicht trotzdem flexibler und kurzfristiger planbar? Ja, aber Schnelligkeit und Flexibilität können wir durch Planungssicherheit und Verlässlichkeit ersetzen. Zudem sind wir, wie schon angedeutet, vom Preis-Leistungsverhältnis her der Straße überlegen.

Wo liegen die Nachteile?

Schienenlösungen brauchen eine langfristige Planung und Vorbereitung. Zudem sind Dispositionsfehler des Kunden schwieriger ausgleichen. Deshalb ist eine Bahnlösung nur dann gut, wenn sie genügend Puffer und Reserven hat. Ein optimal automatisiertes Schienensystem ist einer LKWDisposition sogar überlegen.

Das hörte sich eben noch anders an. Was macht Sie da so sicher?

Einen Zug mit 30 Waggons, der an der Laderampe steht, kann kontinuierlich be- und entladen werden, ohne dauernd Hektikfaktoren drin zu haben. Was aber kann ein LKWFahrer tun, der ein paar Stunden auf eine Ladung warten muss, außer dem Disponenten die Tür einzurennen?

Und die Wettbewerber?

Interessant ist, dass sich viele Schienenlogistiker und Güterbahnen gar nicht die Mühe gemacht haben, solche Konzepte aufzubauen. Nun beobachten Sie uns mit Argusaugen und tun alles, um uns zu stören.

Wie sehen diese Störaktionen aus?

Indem zum Beispiel jede Zusammenarbeit verweigert wird. Es ist jedoch dumm, aus Wettbewerbsdenken die Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Schienenanbietern nicht zu nutzen. Denn jeder Leerzug, an dem der Leerzug eines Mitbewerbers in die andere Richtung vorbeifährt, fügt dem „Gesamtsystem Schiene“ einen unwiderbringlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Straße zu.

Sind private Güterbahnen nicht aufgeschlossener als staatliche?

Ganz genau – zum Glück gibt es die privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen. Sie verstehen das und kooperieren mit uns. Bei der Produktion und Abwicklung sollten sich alle Schienenlogistiker helfen. Der Wettbewerb findet letztlich auf Kundenebene statt, gemessen am versprochenen und gehaltenen Service- und Qualitätsgrad.

Grampetcargo Austria
Der private Logistikdienstleister betreibt Tochterunternehmen in Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Im Fokus steht die Entwicklung schienenlogistischer Gesamtlösungen (Traktion, eigenes Waggon-Equipment, Sendungsverfolgung) sowie Logistik-Beratung und Supply Chain Event Management (SCEM).

Wie sehen Ihre Kombiangebote aus?

Ganz einfach, wir sichern uns fürs Erste einmal 10 Prozent der Jahresmenge eines großen Binnenschiff-Verladers zu einem Grundpreis, der etwas über dem Schiff liegt. Dafür garantieren wir auch immer dann, wenn die Donau nicht schiffbar ist, den Bahn- transport zum selben Preis durchzuführen. Wenn man anfangs einen Zug vereinbart, etwa Bayern – Schwarzes Meer, und keine fixen Tage vorgibt, dann genügt eine Vorlaufzeit von zwei Wochen, um zu normalen Preisen zu fahren.

Entwickelt Grampetcargo auch innerösterreichische Konzepte?

Wir arbeiten gerade an Kurzstreckenprojekten für die Bauindustrie. Dasselbe gilt auch für Dreiecksverkehre. Nur liegen hier die Prioritäten anders als bei der Langstrecke. Denn wenn ich einen Auftrag über 200 km habe, dann muss ich auch hier das ergänzende Geschäft mit zusätzlichen Logistikleistungen suchen. Das machen alle Spediteure so, aber bei der Kalkulation in der Schienenwelt hat sich diese Denkweise noch nicht durchgesetzt. Würde ich bei der Kurzstrecke aber nach der „klassischen Methode“ die Kosten für Lokführer, Wagenmeister, Verschubmitarbeiter sowie eine spezielle Gebühr für die letzte Meile ansetzen, dann ist das wettbewerbsfähig nie zu schaffen.

Sie stellen also die alte Faustformel „bis 600 km LKW, darüber hinaus Bahn“ in Frage?

Das ist, wie Sie richtig sagen, eine Faustformel – mehr aber auch nicht. Sie ist viel zu statisch und lässt sich durch kluge, neu gestaltete Systeme durchaus beeinflussen. Wir sind mittlerweile durchaus in der Lage, auch auf kurzen Strecken gegenüber dem Straßentransport wirtschaftlich zu bestehen.

Güterbahn und Binnenschifffahrt – eine ewige Feindschaft?

Früher standen sich die beiden Verkehrsträger durchaus feindlich gegenüber. Man hat sich gegenseitig das Leben schwergemacht. Siehe Beispiel Rhein-Main-Donau-Kanal: Kaum fertiggestellt, fuhren die Güterbahnen schon zu Dumpingpreisen nach Rotterdam. Wir wirken dieser Entwicklung mit Kombi-Angeboten Schiff plus Bahn entgegen.

Zum Glück gibt es die privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen. Sie kooperieren mit uns.

Aber das sind doch nicht die einzigen Hindernisse für eine Kooperation verschiedener Verkehrsträger?

Sie haben vollkommen recht, hier muss das System noch lernen. Auf der Straße sind genormte Container längst Usus. Aber beim Intermodalverkehr hat die Verkehrspolitik versagt.

Hat die Verkehrspolitik insgesamt versagt?

Auf europäischer Ebene wurde zumindest kein gesetztes Ziel erreicht, sowohl bei der Interoperabilität als auch beim Europäischen Schienenkontrollsystem ETCS. Immer noch werden länderspezifische Systeme geschaffen, um andere Marktteilnehmer hinauszudrängen.
(hec)

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