24 TRANSPORT & LOGISTIK
Verkehr | 28. August 2020 | Nr. 31-35
KOMMENTAR: Während der Corona-Krise erhielt die Logistik in Österreich die Anerkennung, die sie verdient. Heimische Logistiker und Denker haben aber in den vergangenen Jahrzehnten bereits stolze Leistungen hervorgebracht, meint Bernd Kortschak, und listet einge der wichtigsten von ihnen in seinem Kommentar auf.
VON BERND KORTSCHAK
Am 8. Mai 1951 erschien in Santa Monica (USA) die Abhandlung „Note on the formulation of the study of Logistics“ des österreichischen Wirtschaftswissenschafters Oskar Morgenstern. Er erkannte, dass aufgrund der damals in den USA geltenden Verkehrsmarktordnung die für den militärischen Nachschub entwickelten linearen ProgrammierungsOptimierungsmodelle auch für die betriebliche Warenverteilung (Physical Distribution) verwendbar waren, und begründete damit die wirtschaftliche Logistik.
Noch bevor die USA die nationalstaatliche Deregulierung der Luftfahrt begannen (die Deregulierung trat erst 1978 in Kraft), haben die damaligen AUAVorstände Anton Heschgl und Hubert Papousek mit den verlässlichen DC9Mittelstreckenmaschinen die ersten Hub-and-Spoke-Lösungen realisiert. Die neutrale Funktion Österreichs nutzend, wurden die an sich schlecht ausgelasteten Rückflüge aus den Tagesrandbedienungen mit dem Westen mit der Vormittagsverbindung in den Osten verknüpft (und nachmittags vice versa), was z.B. Langstreckenverbindungen wie Zürich–Wien–Kiev ergab. Aber auch andere Durchbindungen von West nach Osteuropa waren möglich, was den Wiener Flughafen mit seiner 20 Minuten garantierten Umsteigezeit trotz Passkontrolle und Zoll zum „schnellsten“ Flughafen Europas machte. Zehn Jahre später stellte der Logistiker Schenker als erster seine Österreich-Verkehre auf eine vergleichbare Lösung mit Salzburg als Hub um, um Laufzeiten und Auslastung zu halten.
1980 erfolgte die nächste Pionierleistung, als der Salzburger Ernst Schmied, der für Schenker arbeitete, die Teileanlieferung für die bayerischen BMW-Werke aus dem Zentrallager Erding bei München bei gleichzeitiger Auflassung regionaler Werkslager realisierte, was heute als Kontraktlogistik bezeichnet wird.
Eine wesentliche Voraussetzung zur Massifizierung des Stückgutverkehrs brachte der modular genormte Container. Es war Rüdiger Wassibauer, der an der Tarifschnittstelle Deutschland–Österreich das erste private Containerterminal errichtete und 1981 den ersten Containerganzzug von Salzburg nach Griechenland auf die Reise schickte. Roland und Confracht übernahmen dies zu den Nordhäfen. Auch die erste erfolgreiche Schwungeinfahrt mit elektrischen Streckentriebfahrzeugen direkt unter den Kran wurde dort in den 80erJahren realisiert.
Bahnbrechend waren auch die internationalen LogistikTagungen vom Grazer MarketingProfessor HansPeter Liebmann, der die Crème de la Crème der Logistik von Bowersox bis Wildemann zu seinen Tagungen nach Rüschlikon in die Schweiz holte und deren Logistikkonzepte und lösungen auch für teilnehmende Österreicher erfahrbar machte.
1983 machten auch die Österreichischen Bundesbahnen auf sich aufmerksam, als sie den Werkfernverkehr in der Distribution der Weinkellerei Lenz Moser in Niederösterreich gemeinsam mit der Tiroler Spedition Gottardi und Heindl in den Kombinierten Verkehr und damit im Hauptlauf auf die Schiene brachten. Dadurch konnte das werkseigene Auslieferungslager für Westösterreich aufgelassen werden.
Eine in Deutschland für undenkbar gehaltene LogistikKooperation brachten Elmar Wieland von Schenker und Friedrich Macher von Kühne + Nagel in Österreich zustande. Um eine bessere Auslastung der Zustellfahrzeuge zu erreichen, wurde damals vereinbart, dass Schenker in jenen Regionen, in denen es „stärker“ war, auch Produkte von Kühne + Nagel ausliefern wird und vice versa. Elmar Wieland war es auch, der für seine Kunden bereits Just-in-sequence-Lieferungen realisierte. Er ließ Teile so anliefern, wie sie der Reihe nach am Montageband eingebaut wurden, und zwar zu einer Zeit, als der Großteil der Wirtschaftstreibenden gerade einmal lernte, just-in-time zu buchstabieren.
Friedrich Macher trieb die Logistik auch im Ausbildungsbereich voran, zunächst gestaltete er ein viertes freiwilliges Lehrjahr „Speditionslogistik“ an der Landesberufsschule für Spediteure, aber auch die Weiterbildung gemeinsam mit den Logistikpionieren Karl Frohner von Unilever und Norbert Jaksch von Nestlé waren ihm ein Anliegen.
1984 nahm der Österreicher Hanns C. Pladerer den ersten Deutschen Logistikpreis für hervorragende Logistikleistungen der Bundesvereinigung Logistik (BVL) als Direktor der Konzernlogistik für die Hilti AG Schaan, Liechtenstein, entgegen.
Friedrich Macher gelang es, eine BVL Österreich mit Sitz in Wien zu etablieren. Als deren erster Präsident realisierte er jene institutionenübergreifende Interessenplattform für die Logistik, die 1983 bereits Albert Oberhofer von der Montanuniversität Leoben angeregt hatte. Besondere Verdienste erwarb sich parallel dazu Helmut Zsifkovits, heute Professor an der Montanuniversität Leoben, als Leiter der Logistikseminare und Organisator des ersten österreichischen Logistik-Dialogs der österreichischen Akademie für Führungskräfte in Graz. Die Hochschulen blieben in ihrem Wirken zunächst regional fokussiert, bis Sebastian Kummer an der WU Wien seine gewonnenen Erkenntnisse bis nach China verkündete und dort mit der höchsten Auszeichnung Chinas für ausländische Wissenschafter, einem Stiftungslehrstuhl, belohnt wurde.
Beachtenswert ist auch die präzise Disposition von Komplettladungen mit kooperierenden Frachtführern durch LKW Walter und die beachtlich niedrigen Leerkilometeranteile trotz hoher Wochenfahrleistungen und innovativen Fahrzeugkonstruktionen des oberösterreichischen Neuwagendistributeurs Hödlmayr.
Die Wirtschaftskammer Österreich engagierte sich im Rahmen des Wirtschaftsförderungsinstituts (WIFI) mit ihren Weiterbildungsangeboten und einer Logistik-Broschüre für ihre Mitglieder, und auch die Internationale Wochenzeitung Verkehr stellte in den 80er-Jahren 14tägig eine Seite für verkehrsaffine Logistiklösungen zur Verfügung.So also setzten österreichische verkehrswirtschaftliche Pionierleistungen in der Logistik Maßstäbe bei der Qualitätsverbesserung im Lieferservice durch Verbesserung der Zuverlässigkeit infolge präziser Einhaltung von Zeitvorgaben und Vermeidung von Transportschäden. Als Folge davon kam es zu einer Erhöhung der Lieferfrequenz und der Schnelligkeit dank einer Verkürzung der Gesamttransportzeit infolge des Entfalls von Lagerstufen und der Eliminierung von Wartezeiten. Gleichermaßen befeuerten die entstandenen Ersparnisse die globalen Expansionspläne der verladenden Wirtschaft ab den 90-erJahren!
Mit freundlicher Genehmigung von
Hrn. Prof. Univ.-Doz. DDr. Bernd H. Kortschak